Aber es hilft nichts, sie müssen knalleng sitzen, wenn man die idealste Linie zwischen den roten und blauen Toren treffen möchte.
Doch am Fuße des Chuenisbärgli ist genau das das Größte, nicht nur metaphorisch, sondern auch im übertragenen Sinn. Es ist ein Akt, mit dem man sich verewigt und in die Geschichte des Skisports eingeht. Denn das im Berner Oberland liegende Adelboden, pflegt ganz besondere Traditionen. Genau hier verbrachte und organisierte Sir Henry Lunn 1903 die ersten Skiferien, die in der Geschichte erwähnt wurden - eine Art "weiße Woche". Er koordinierte sämtliche Aktivitäten der englischen Oberschicht, die seit 1864 regelmäßig in die Schweiz gereist sind, um dort erholsame Wintertage zu verbringen. 1904 wurde in Adelboden das erste Skirennen durchgeführt. Das war sehr früh, aber im entfernten Norwegen in der Stadt Tromsøs, wurde der allererste alpinen Wettkampf absolviert (der fand dort bereits 1843 statt). Doch im Gegensatz zu der norwegischen Stadt, die heute vor allem durch ihre historisch-künstlerischen Sehenswürdigkeiten als touristisches Ziel bekannt ist - Tromsøs wird auch "Paris des Nordens" genannt - hat Adelboden seine jahrhundertealte Wettkampftradition gewahrt. In Adelboden findet jedes Jahr einer der größten Klassiker des alpinen Skiweltcups statt. Im Januar, wenn der weiße Zirkus im Land der roten Flaggen mit dem weißen Kreuz angekommen ist, wird auf dem Chuenisbärgli einer der einzigartigsten Wettkämpfe der technischen Disziplinen ausgerichtet.
Tester des Michelin-Führers, sind in das Gebäude das die Hausnummer 9 trägt eingekehrt. Die Küche des Restaurants Alpenblick überzeugte und der Gastgeberfamilie wurde einer der wohlverdienten Sterne überreicht: In unmittelbarer Nähe zu den Tribünen, finden auch anspruchsvollste Gourmet-Gaumen eine sensationell angerichtete, deliziöse Stärkung.
Die Strecke ist einzigartig: Die Wellen, die das erste Drittel des Rennens prägen, erfordern viel Gefühl und reaktionsschnelle Beine. Um die optimalsten Schwünge zu ziehen, ist es wichtig präzise mit den Unebenheiten des Geländes zu spielen. In niederschlagsarmen Jahren kommen die Geländeformen des Berner Oberlands noch stärker zum Vorschein. Sie sorgen für ein Rodeo, dem nur die Besten der Welt standhalten können.
Dann folgt ein Teilabschnitt, der zu einer grandiosen Stelle für Schnappschüsse führt. Es ist die Bodenwelle, nach der es im scheinbar senkrechten Sturzflug in die letzten zehn Sekunden des Rennens geht: der schwierigste Streckenabschnitt von allen. Es ist ein Sprung in die Menge: Die Athleten tauchen aus dem Nichts auf und drücken ihre Kanten mit letzter Kraft ins Eis. Begleitet wird das Spektakel von einem Getöse aus Kuhglocken, dem unverkennbaren Soundtrack der Schweizer Weltcup-Rennen. Der Jubel der Menge motiviert, die Ziellinie wird nach einem extremen Steilhang überquert. Gute Fährtenleser haben hier einen Vorteil, denn die Ziellinie ist für die Athleten nicht erkennbar – das bedarf einer sorgfältigen Besichtigung.
Hier schaffen es nur die Allerbesten auf das Podest – die, die sich keinen Fehler erlauben. Die Kuhglocke, die dem Sieger auf dem Podest überreicht wird, ist ein authentisches, begehrtes Symbol, obwohl sie weniger glänzt als die sonst üblichen Kristallpokale oder Medaillen. Doch diese Kuhglocke mit nach Hause zu nehmen, gilt als größte Ehre im Skisport. Sie wird von den Bergbewohnern mit Passion und einer unendlichen Energie geschmiedet. Direkt im Anschluß an die Siegerfotos ist es an der Zeit, auf dem Würfel Platz zu nehmen, sich der Socken zu entledigen und in die kalte Materie einzutauchen, bis die Fußsohlen vollständig umhüllt sind. Ein Gipsabdruck, der auf einer Stele im Ort platziert wird, neben den Füßen all jener Champions, die zuvor ihre Spur im Schnee des Chuenis, wie man ihn hierzulande nennt, hinterlassen haben. Kurz gesagt, ein Abdruck, weder in Stein, noch in Schnee, sondern in die Geschichte des Skisports.